Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Wer in Berlin zur Miete wohnt, muss in der Regel einen großen Teil des Einkommens für Miete aufwenden. Eine Wohnung gilt üblicherweise dann als „leistbar“, wenn die Gesamtmiete (inklusive aller Nebenkosten) 30 % des Netto-Haushaltseinkommens nicht übersteigt. Gesamtmieten in dieser Höhe sind für Haushalte mit niedrigem Einkommen allerdings schon mit erheblichen Einsparungen in anderen Bereichen verbunden.
Etwa 85 % aller Berliner*innen wohnen zur Miete – der Mangel an leistbarem Wohnraum und die scheinbar unaufhaltsam steigenden Mietpreise sind hier längst zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem geworden.
Während in Berlin rund 310 000 bezahlbare Wohnungen fehlen, ist die Stadt beim Preisanstieg von Immobilien Weltspitze. In Berlin haben Spekulation, Privatisierung und eine gestiegene Nachfrage nach Wohnraum mittlerweile zu einer „Wohnungskrise“ geführt: Immer mehr Menschen, auch aus der Mittelschicht, haben enorme Schwierigkeiten, leistbaren Wohnraum zu finden.
Zwischen April 2018 und Oktober 2019 haben wir den Angebotsmarkt für Mietwohnungen genau beobachtet. Dafür haben wir Daten von rund 90 000 Online-Wohnungsinseraten gesammelt und ausgewertet. Unsere Ergebnisse sind alarmierend.
Nach Eingabe deines Haushaltsnettoeinkommens und der benötigten Zimmeranzahl zeigt dir die folgende Karte den Anteil der für dich leistbaren Wohnungen in verschiedenen Ortsteilen Berlins.
Klicke auf einen Stadtteil, um die einzelnen Wohnungsangebote zu sehen. Alle für dich leistbaren Wohnungen werden als graue, alle nicht leistbaren als rote Punkte dargestellt. Mit der Checkbox kannst du Wohnungen, für deren Anmietung ein Wohnberechtigungsschein benötigt wird, berücksichtigen oder ausblenden.
Die Mieten in Berlin sind in den letzten Jahren derart stark gestiegen, dass selbst Haushalte mit durchschnittlichen Einkommen kaum mehr leistbare Wohnungen finden. Die durchschnittlichen Einkommen in Berlin sind laut den Ergebnissen des Mikrozensus von 2016 folgende:
Haushaltsgröße | Nettoeinkommen in € |
---|---|
1 Person | 1 375 |
2 Personen | 2 625 |
3 Personen | 3 075 |
4 Personen | 3 425 |
5 und mehr Personen | 3 000 |
In der folgenden Karte zeigen wir, wo sich Berliner Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen Wohnungen leisten können. Klicke auf einen Stadtteil, um die einzelnen Wohnungsangebote zu sehen.
So sind für einen durchschnittlichen Berliner Single-Haushalt mit einem Netto-Haushaltseinkommen von 1 375 € berlinweit nur 3,1 % der Wohnungsangebote leistbar. Innerhalb des S-Bahn-Rings sind es sogar nur 0,9 % der Angebote. Auch für 5- und mehr Personen-Haushalte mit Durchschnittseinkommen ist die Lage besonders angespannt: Unter den 780 in Frage kommenden Angeboten innerhalb des S-Bahn-Rings war zwischen April 2018 und Oktober 2019 kein einziges leistbares Angebot dabei.
Steigende Mieten müssen von Mieter*innen oft durch einen Verzicht auf Wohnfläche ausgeglichen werden. Die für einen Haushalt „leistbare“ Wohnfläche wird dadurch schlicht immer kleiner.
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Besonders eng wird es für Single-Haushalte und Haushalte mit mehr als 4 Personen. Ein vierköpfiger Haushalt mit Durchschnittseinkommen kann sich bei Umzug aktuell in Berlin nur noch 69 m² leisten. Auffallend ist, dass sich ein 5- und mehr Personen-Haushalt sogar noch weniger Wohnfläche leisten kann als ein 4-Personen-Haushalt. Grund hierfür ist, dass die durchschnittlichen Einkommen von Haushalten mit 5 und mehr Personen mit 3 000 € netto tatsächlich niedriger liegen als die von 3- oder 4-Personen-Haushalten.
Georgios sucht eine neue Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnung. Er lebt alleine und verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von 1 375 € – liegt damit also genau im Berliner Durchschnitt. Er wohnt schon lange in Kreuzberg und würde gerne dort bleiben.
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Für Georgios ist es nahezu unmöglich, im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine bezahlbare Wohnung zu finden. Dort kommen nur 0,7 % der 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen in Frage. Auch in den angrenzenden Bezirken ist die Marktlage kaum besser. Einige wenige für ihn leistbare Angebote gibt es in Reinickendorf, Spandau, Lichtenberg oder Marzahn-Hellersdorf.
In Berlin beziehen etwa 260 000 Menschen Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Für diese Personen übernimmt das Jobcenter die Wohnkosten bis zu einem gewissen Betrag. Diese so genannten „Kosten der Unterkunft“ unterliegen jedoch strengen Beschränkungen. Welche Kosten das Jobcenter übernimmt, richtet sich unter anderem nach der Größe des Haushalts.
Wir haben auf Grundlage der von Berliner Jobcenter gezahlten Kosten der Unterkunft für , welche Wohnungsangebote für einen Hartz IV beziehenden Haushalt in Frage kommen. Klicke auf einen Stadtteil, um die einzelnen Wohnungsangebote zu sehen.
Für Hartz IV beziehende Haushalte ist die Situation auf dem Mietmarkt besonders angespannt. So kämen für einen vierköpfigen Haushalt, der Hartz IV bezieht, außerhalb des S-Bahn-Rings nur 9 % der Angebote, innerhalb nur 0,4 % der Angebote in Frage. Nur für diesen geringen Anteil der Wohnungsangebote würden die Wohnkosten vom Jobcenter vollständig übernommen.
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Als die alleinerziehende Kristin im September 2018 von ihrem Vermieter eine Mieterhöhung bekam, war sie schockiert. Ganze 50 Euro sollte sie monatlich mehr zahlen. Weil Kristin ALG II bezieht, wurden ihre Wohnkosten bislang vollständig durch das Jobcenter getragen. Nach der Mieterhöhung fordert das Jobcenter Kristin auf, ihre Kosten der Unterkunft „zu senken“. Für sie bedeutet das: Umziehen.
Da Kristins Tochter in Neukölln zur Schule geht, möchte sie nur ungern ihren Bezirk verlassen. Online sucht sie nach Wohnungsangeboten in Neukölln und im Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Doch auch nach Monaten der Suche ist sie immer noch nicht fündig geworden. Denn für sie gibt es fast keine Wohnungen, deren Mietkosten das Jobcenter übernehmen würde.
In 12 Monaten kommen für sie einmal insgesamt 93 Angebote in Neukölln und nur 20 Angebote in Friedrichshain-Kreuzberg in Frage. Doch auch bei den Besichtigungen war sie erfolglos, denn sie konkurriert mit hunderten anderen Wohnungssuchenden. Die 50 Euro, die sie nun mehr an ihrem Vermieter zahlen muss, gehen solange von ihrem ohnehin schon knappen monatlichen ALG II-Satz ab.
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50 % der Berliner Mieter*innen haben Angst, aus ihren Kiezen verdrängt zu werden. Diese Angst ist berechtigt: Tatsächlich gibt es für Vermieter*innen eine finanzielle Motivation, alte durch neue, finanzstärkere Mieter*innen zu ersetzen. Denn je höher der Abstand zwischen Bestandsmieten und Einnahmen bei Neuvermietungen, desto höher auch der wirtschaftliche Anreiz, die bestehenden Mietverträge aufzulösen.
Besonders prekär lebende Berliner*innen, für die Mieterhöhungen oder ein Umzug in der selben oder in anliegende Gegenden nicht bezahlbar sind, sind von Verdrängung betroffen.
In der folgenden Karte in den einzelnen Kiezen. Je höher der Anteil prekär lebender Bevölkerung einerseits, und das Niveau der Angebotsmieten andererseits, desto höher der Verdrängungsdruck.
Unsere Analysen zeigen: Die Mietpreise, zu denen Wohnungen in Berlin angeboten werden, sind für große Teile der Berliner Bevölkerung schlicht nicht mehr leistbar. Auch für Mieter*innen aus der Mittelschicht wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu finden. Besonders hart trifft diese Entwicklung aber Menschen mit kleinem Geldbeutel.
Derweil generieren Immobilienbesitzer*innen, vor allem große Konzerne, enorme Profite. Im folgenden Kapitel „Wohnen als Ware“ zeigen wir, wohin die Einnahmen aus Vermietung fließen und wer von der angespannten Lage profitiert.